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Interview | Mit Ramona Rothe, Leiterin Servicestelle Windenergie der ThEGA

Die Servicestelle Windenergie der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA) berät und unterstützt Bürger*innen, Kommunen und Projektierer in allen Fragen der Windenergie und macht sich für Transparenz und regionale Wertschöpfung stark. Bevor Ramona Rothe Leiterin der Servicestelle wurde, war sie lange Jahre selbst als Projektiererin tätig. Zur Situation der Windenergie in Thüringen und zu Strategien für mehr die Bürger*innen-Akzeptanz haben wir mit Ramona Rothe ein Interview geführt.

Guten Tag Frau Rothe. Als Servicestelle Windenergie haben Sie einen guten Überblick über die Situation der Windenergie in Ihrem Bundesland. Fehlende Akzeptanz von Bürger*innen und aus der Lokalpolitik sowie eine Klageindustrie erschweren bei ihnen wie anderenorts den Ausbau von Windenergie. Ändert sich jetzt etwas durch die Pläne der neuen Bundesregierung?

Wir haben derzeit zahlreiche Anfragen von Unternehmen, die sich jetzt schnell aus Erneuerbaren versorgen möchten, und häufig die Frage, was mit dem Osterpaket der Bundesregierung auf die Kommunen zukommen wird. Momentan ist also viel Bewegung im Thema Windenergie, was auch dringend nötig ist, denn von 2016 bis 2020 ist der Nettozubau von Windenergie-Anlagen (WEA) kontinuierlich gesunken, und erst seit 2021 nimmt er wieder leicht zu.

Was die bundespolitischen Vorhaben angeht, ist allerdings bei uns noch viel Luft nach oben. Das geplante Gesetz „Windenergie an Land“ fordert 2 Prozent der Landesfläche für WEA. Aktuell liegt die Flächenbereitstellung in Thüringen aber nur bei 0,38 Prozent. Erschwerend hinzu kommen 6 Klageverfahren gegen den Regionalplan Mittelthüringen. Folgende Punkte aus dem angekündigten Osterpaket werden den Ausbau aber voraussichtlich voranbringen:

  • Gesetzliche Verankerung von Erneuerbaren als Anliegen des öffentlichen Interesses und als Beitrag der öffentlichen Sicherheit
  • Kommunalbeteiligung auch für Bestandsanlagen
  • Ausnahme von Ausschreibung für Bürgerenergie-Projekten bis 18 MW

Unterstützend wirken auch landespolitische Maßnahmen, die in der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes für „LEP 2025“ festgelegt sind:

  • Möglichkeit für unsere Gemeinden, über „bauleitplanerische Sondergebiete Windenergie“ Anlagen zu errichten
  • Stärkung von Repowering
  • Nutzbarmachung bisher ausgeschlossene Naturpark- / Waldflächen durch Einzelfallbetrachtung


Welche Argumente wirken am besten, um bei Bürger*innen und lokalen Akteur*innen Akzeptanz für Windenergie zu gewinnen? Auch vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise?

Durch die Dramatik in der Ukraine ist vielen bewusst geworden, dass dringend etwas getan werden muss, um die Energieabhängigkeit zu verringern. In Thüringen importieren wir nach wie vor 50 Prozent des Stroms! Wenn es jetzt wie mit dem Osterpaket verbindliche Vorgaben vom Bund gibt, dann wird es auch einfacher, die Bürger abzuholen.

Künftig soll es für Kommunen einfacher werden, eigene Windräder zu besitzen und dann z. B. einen günstigen Grundstromtarif für ihre Einwohner und Anwohner anbieten. Bisher hat das nicht funktioniert, weil man dann als Gemeinde zum Energiexporteur wurde. Wenn man z. B. 600 Einwohner hat, aber Strom für 3.000 Haushalte Strom produziert, betritt man bisher als Kommune ein Geschäftsfeld, das ihr nicht zugestanden wird. Dies könnte die Landesregierung jetzt ändern!
 


Welche Rolle spielt bei der Gewinnung von Akzeptanz die Bürger*innenbeteiligung und regionale Wertschöpfung?

Besonders wichtig für die Akzeptanz ist es, dass man Windenergie-Projekte mit den Menschen vor Ort gemeinsam angeht – und nicht von oben nach unten einfach durchzusetzen versucht. Als Servicestelle werben wir dafür bei Projektierern immer für eine frühe informelle Beteiligung – damit die Bürger*innen nichts „serviert“ bekommen.

Zuerst sollte man mit der Gemeinde sprechen (Bürgermeister, Gemeinderat, Stadtwerke). Dabei ist es immer ein gutes Argument, wenn Stadtwerke dabei sind, denn dann bleibt das Geld auch überwiegend in der Region. Dazu gibt es bei uns den Stadtwerke-Verbund „Windkraft Thüringen“, der 14 Stadtwerke bündelt. Dann sollte man den Bürger*innen gute Beteiligungsoptionen an der Anlage anbieten. Besser als z. B. die Option einer Darlehensgewährung ist die indirekte Bürger*innen-Beteiligung über eine Genossenschaft oder der Betrieb der Anlage durch die Kommune.

Nach § 6 EEG 2021 haben Betreiber nun auch die Möglichkeit, 0,2 Cent pro kWh legal an die Kommunen zu überweisen, was einen guten Anreiz schafft, dass Kommunen sich gegenüber Windenergie-Projekten bereits in der Planungsphase wohlwollend verhalten. Gleichzeitig wird die Bürgerenergie immer beliebter. Durch Bürgerenergie-Genossenschaften werden in Thüringen inzwischen bereits 16 MW Windstrom erzeugt, teilweise auch unter Beteiligung der Stadtwerke, was den Vorteil hat, dass festangestellte Mitarbeiter mit Erfahrung im Energiesektor solche Projekte mitplanen und begleiten.

Man sollte den Bürger*innen Raum geben – aber nicht den Eindruck erwecken, sie entscheiden allein, sondern die Planung und Projektierung von WEA als ein Gemeinschaftsprojekt anlegen, bei dem Projektierer, Kommune und Bürger*innen Hand in Hand arbeiten.
 


Wie geht man am besten mit Konfliktpotenzial um? Welche und wieviel Bürger*innen-Beteiligung ist hilfreich, wieviel kontraproduktiv?

Unsere langjährige Erfahrung mit Konflikten und Hemmnissen im Bereich Windenergie haben wir in  unserem Siegel „Faire Windenergie“ abgebildet. Inzwischen haben wir 40 Partner, die bestimmte Leitlinien für erfolgreiche Windenergieprojekte mit uns teilen. Dazu zählen: Beteiligung aller Interessengruppen im Umfeld eines Windparks während der gesamten Projektierungsphase, faire Teilhabe bzw. direkte finanzielle Beteiligungsmöglichkeit aller Betroffenen und Anwohner und Einbeziehung der regionalen Energieversorger und Kreditinstitute.

Ein ganz wichtiger Aspekt ist der Umgang mit Flächen, die sich für Windenergie eignen. In Thüringen haben wir viele „Handtücher in der Fläche“, d. h. die Flächen sind in ihrer Besitzstruktur sehr kleinteilig. Um zusammenhängende Flächen für Windenergie zu nutzen, muss man teilweise mit 500 Personen sprechen, anstatt mit 3 bis 5 Personen wie in westdeutschen Bundesländern. Der Austausch mit den Flächenbesitzer*innen ist daher sehr wichtig, wenn man Projekte realisieren möchte. Über unser Siegel „Faire Windenergie“ bieten wir Flächenpool-Musterverträge für Eigentümer*innen an, um Flächen zu bündeln und ihnen dadurch bessere Verhandlungspositionen zu ermöglichen.

Pachteinnahmen aus WEA sind ein attraktives Geschäft, was aber auch Neid bei denen auslösen kann, die Nachbargrundstücke zu den Anlagen besitzen und nicht zum Zuge kommen. Daher empfehlen wir den Verpächtern immer, 5 Prozent der Pachteinnahmen für das Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen. Z. B. um in der Gemeinde einen Jugendclub zu erhalten oder Fahrdienste für ältere Menschen zu fördern. Das sorgt für Akzeptanz und Ruhe im Gebiet, wo die Anlagen errichtet werden sollen.

Was die Windenergie-Gegner angeht, muss man zwischen zwei Gruppen unterscheiden: diejenigen die sich im Verein „Vernunftkraft“ engagieren und solche, die aus Sorgen – z. B. um den lokalen Wald – entstehen, jedoch Windenergie nicht grundsätzlich ablehnen. Stichwort Windenergie im Wald: Seit in Thüringen geplant ist, Anlagen auch im Wald zuzulassen, hat sich die Zahl der Bürger*innen-Initiativen gegen Windenergie nahezu verdoppelt (derzeit haben wir ca. 50 solcher Initiativen).
 


Mit „Vernunftkraft“ und ähnlichen Initiativen, die mit vorgeschobenem Artenschutz die Energiewende ausbremsen möchten, ist nach unseren Erfahrungen oft keine konstruktive Diskussion möglich. Die kleinen, lokalen Initiativen jedoch, die wirkliche Sorgen der Bürger*innen zum Ausdruck bringen, nehmen wir sehr ernst und fördern den konstruktiven Dialog mit ihnen. Dazu haben wir z. B.  einen Bürger*innen-Sprechtag eingeführt. Ziel dieses Angebots ist es, in bürgernaher Sprache Fragen zur Windenergie zu beantworten, z. B. zu Stolpersteinen bei rechtlichen Fragen oder auch zur Beteiligung in Gemeinden, wo Neid wegen der Pachteinnahmen entsteht.

Als gut vernetzte Servicestelle können wir auch Projektierer direkt anrufen oder mit Behörden und Politik in Kontakt treten, um Verbesserungen für Bürger*innen zu erzielen und Skepsis zu reduzieren – auch das ist ein echter Nutzen des Siegels „Faire Windenergie“.

Was können Kommunen noch tun, damit der Ausbau von Windenergie schneller vorankommt?

Kommunen haben bei uns bisher immer gesagt: „Wir bekommen das ja sowieso serviert“. Mit der Folge, dass häufig großer Widerstand oder Resignation erzeugt wurde. Durch verschiedene Vorhaben von Bund und Land könnte sich das jetzt ändern, z. B. durch die De-Minimis-Regelung, dass Windenenergie-Projekte bis 18 MW von Ausschreibungen ausgenommen werden; und der Möglichkeit für Gemeinden, über „bauleitplanerische Sondergebiete" WEA zu errichten.

Als Servicestelle sehen wir unsere Aufgabe darin, Kommunen darauf einzustimmen, dass sie von jetzt an eine aktivere Rolle spielen werden und stärker an Windenergie partizipieren können. Dazu bieten wir Kommunalforen an, in denen Kommunen die Möglichkeit haben, sich z. B. zu rechtlichen Fragen beraten zu lassen und sich auszutauschen. Wir wollen erreichen, dass zukünftig „etwas hängen bleibt“ in der Gemeinde, wo die Windanlagen sich drehen, unabhängig davon, ob sich eine Gemeinde in der Haushaltskonsolidierung befindet oder nicht!

Ca. 250 Anlagen in Thüringen werden in den nächsten 5 Jahren aus der Vergütung fallen, könnten aber je nach Gutachten durchaus 10 Jahre weiterbetrieben werden. Die meisten davon liegen aber nicht in einem Windvorranggebiet, daher kann man sie an derselben Stelle nicht repowern. Das muss über den Landesentwicklungsplan geregelt werden – und die Entscheidung über das Repowering könnte ggf. den Kommunen selbst überlassen werden.


Wir danken Ramona Rothe für das Interview.

Kontakt: Ramona Rothe, Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA)