Regionale Wertschöpfung

Regionale Wertschöpfung

Regionale Wertschöpfung – Bürgerbeteiligung macht den Unterschied

Wirtschaftskraft und Klimaschutz durch Erneuerbare stärken

Wer soll den Ausbau von Erneuerbaren Energien bezahlen, wird häufig gefragt. Immer noch hält sich die Behauptung, dass der Ausbau der Erneuerbaren zu viel Geld kostet. Fakt ist jedoch, dass Strom aus Erneuerbaren spätestens seit Mitte der 2010er Jahre durch technologische Fortschritte deutlich günstiger geworden ist als der aus fossilen Brennstoffen oder aus Atomkraft. Für den Bau von Windenergie- und PV-Anlagen sind insgesamt geringere Investitionen als für den Neubau von Gas-, Kohle- und Atomkraftwerken erforderlich. Darüber hinaus sind Erneuerbare nachhaltiger, klimafreundlicher und – da sie keine Abgase produzieren – gesundheitsfreundlicher.

Erzeugt man Strom aus Erneuerbaren regional und unter Einbeziehung von Bürger*innen und Kommunen, ergeben sich noch weitere wirtschaftliche Vorteile, die oft zu wenig bekannt sind. EE-Projekte mit Kommunen- und Bürger*innen-Beteiligung machen für eine Region den Unterschied – nicht nur zur fossilen Energieversorgung, sondern auch zu Projekten externer Projektierer bzw. überregionaler Stromkonzerne.

Wertschöpfungs-Effekte in Kommunen durch den Ausbau von Erneuerbaren

 

Die Universität Kassel hat in einer Studie die Chancen identifiziert, die sich Kommunen, Bürger*innen und regionaler Wirtschaft durch den regionalen Ausbau der Erneuerbaren bieten:

  • Pachterträge an lokale Landbesitzer
  • Gewinne von Anlagen-Betreibern, die in der Region reinvestiert werden
  • Betriebsausgaben bei regionalen Dienstleistern und Zulieferern (z. B. durch Materiallieferungen)
  • Stärkung der Beschäftigung in der Region durch Lohnzahlungen
  • Verausgabung der entsprechenden Einkommen in der Region
  • Zinszahlungen bei Erneuerbaren-Projekten, die in der Region reinvestiert werden (z. B. durch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute)
  • Steuern, die innerhalb der Region verbleiben

Wenn Kommunen und Bürger*innen an EE-Anlagen vor Ort finanziell direkt beteiligt werden, sind die regionalen Wertschöpfungseffekte deutlich größer, als wenn die Anlagen von externen Investoren errichtet und betrieben werden.

Eine Studie der Universität Kassel von 2016 gemeinsam mit der SUN Stadtwerke Union Nordhessen ergab signifikante Unterschiede zwischen dem Geschäftsmodell eines externen, privatwirtschaftlichen Projektierers und dem SUN-Konzept mit Kommunen- und Bürger*innen-Teilhabe. Nach Investitionen in den Standort, Umsätzen der regionalen Wirtschaft, Gewerbesteuer, Erträge an die Kommunen und Bürger*innen, Erträge der Stadtwerke Union und Zinszahlungen an lokale Banken ergab sich ein Unterschied in der regionalen Wertschöpfung von 58 Mio. € für das Bürger*innen-Beteiligungsmodell und lediglich 7 Mio. € für das Modell des externen Projektierers.

Wie sich das in der Praxis gestaltet und was Kommunen tun können, um den Ausbau von Erneuerbaren zu fördern und solche Wertschöpfungseffekte zu nutzen, zeigen die Beispiele Rhein-Hunsrück-Kreis und Bürgerwindpark Stiftswald in Nordhessen.

 

Rhein-Hunsrück Kreis – Erneuerbaren Strom exportieren statt fossilen importieren

 

Der Rhein-Hunsrückkreis war ursprünglich eine strukturschwache ländliche Region in Rheinland-Pfalz. Das hat sich jedoch seit etwa 20 Jahren geändert. Entscheidend dafür war, dass der Kreis, Kommunen, Genossenschaften, Privatleute, Landwirte und Unternehmen den Ausbau der Erneuerbaren in der Region gemeinsam vorangetrieben haben. Heute produziert der Kreis mit ca. 1,3 Mrd. kWh Strom aus PV,  Windenergie und Biomasse das Dreifache des eigenen Stromverbrauchs. Die Gemeinden haben 84 Mio. € Rücklagen, die sie für Zukunftsprojekte einsetzen können. Die jährliche regionale Wertschöpfung aus der Installation der Erneuerbaren beträgt ca. 44 Mio. €.

Dieser Erfolg beruht auf verschiedenen Maßnahmen, die der Kreis initiiert hat,  z. B. das internetbasierte „1000-Dächer-Photovoltaik-Programm“. Der Kreis und viele Gemeinden gingen als Vorbild voran, indem sie PV auf Gebäuden ihrer Liegenschaften installierten. Für das Programm stellten regionale Banken Sonderkredite bereit. 4.200 Privatleut nahmen schließlich daran teil. Mit dem Ergebnis, dass Anlagen mit einer Leistung von ca. 96 MW und einen Anteil von 17,7 % an der Gesamtstromproduktion im Landkreis installiert wurden (im Bundesdurchschnitt sind es ca. 6 %). Für diese Anlagen erhalten die PV-Aktiven jährlich 20,8 Mio. € Einspeisevergütung.

Auch die Windkraft leistet im Kreis einen wichtigen Beitrag zur energetischen Selbstversorgung. Zumeist waren es Investoren außerhalb des Kreises, die Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 722 MW auf kommunalen Flächen errichten. Für die bisher 268 installierten Anlagen erhalten die Gemeinden etwa 7,6 Mio. € Pachteinnahmen jährlich. 2,2 Mio. € EEG-Vergütung fließen an die regionalen Eigentümer und Betreiber. Ca. 1,6 Mio. € Wartungs- und Servicekosten bleiben ebenfalls in der Region, in der Summe also jährlich 11,4 Mio. € und das über einen Zeitraum von 20 Jahren. Der einmalig anfallende regionale Anteil an den Investitionskosten für den Bau beträgt dagegen lediglich 84,7 Mio €.

Einnahmen aus diesen Erneuerbaren-Anlagen ermöglichen vor allem finanzschwachen Kreisgemeinden zusätzliche finanzielle Spielräume, z. B. für betreutes Wohnen, Neubau von Kindergärten, bessere DSL-Anbindung oder Car-Sharing mit Elektroautos in Kreisgemeinden.


Quelle: Der Weg von einer strukturschwachen Region zum Energiegewinner – Wertschöpfungseffekte durch Investitionen in die Energiewende, Bertram Fleck. In: Klimaschutz & Finanzen Kommunen investieren in eine lebenswerte Zukunft. Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Köln 2020

 

Bürgerwindpark Stiftswald in Nordhessen – Wertschöpfung und Akzeptanz erhöhen

 

Ein erfolgreiches Beispiel für Kommunen- und Bürger*innen-Teilhabe ist die Windpark Stiftswald GmbH & Co.KG, die 9 Windenergieanlagen mit je einer Nennleistung von 3 MW im Kaufunger Stiftswald (Helsa/Kaufungen) im Landkreis Kassel betreibt. Seit 2016 produzieren die im Wald errichteten Anlagen jährlich 74 Mio. kWh Strom – genug um 25.000 Haushalte zu versorgen.

Regionale Kommunen, Städte und Gemeinden sind am Windpark mit 67 Prozent beteiligt, die übrigen 33 Prozent werden von der Städtische Werke AG Kassel gehalten. Zu den insgesamt 12 Gesellschaftern zählen 6 Bürgerenergie-Genossenschaften mit ca. 3000 Mitgliedern, 2 Nachbarkommunen, 4 regionale Stadt- bzw. Kommunalwerke.

Die Akzeptanz für Windkraftanlagenstandorte ist generell hoch, wenn sie nachhaltig – d. h. unter Berücksichtigung des Arten- und Naturschutzes – erschlossen werden. Sobald die Planungen jedoch konkreter werden, verringert sich bei Bürger*innen im Umfeld der Anlage die Akzeptanz. Durch folgende Maßnahmen haben die Betreiber des Windparks Stiftswald diesem Trend entgegen gewirkt:

  • Finanzielle Teilhabe von Bürger*innen aus der Region an Windparks durch 6 Bürgerenergie-Genossenschaften
  • Regionaler Ökostrom-Tarif für Bürger*innen im Umkreis von 50 km von der Anlage
  • Finanzierung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die Habitate geschützter Arten verbessern und zum klimagerechten Waldumbau beitragen

Das aktuelle EEG ermöglicht es Windpark-Betreibern, Zuwendung von bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde des ins Netz eingespeisten Stroms an benachbarte Kommunen im Umkreis von 2,5 km zu entrichten. Pro Betriebsjahr erhält eine Kommune somit ca. 30.000 €  für jede Windenergieanlage mit einer installierten Leistung von 5 MW.

Durch die Kombination von finanzieller Teilhabe, regionalem Stromtarif, Berücksichtigung des Natur- und Artenschutzes, Unterstützung beim Waldumbau und der Entrichtung von Beiträgen für die Gemeindefinanzen hat es der Windpark Stiftswald geschafft, in der Region breite Akzeptanz zu finden. Und er verringert den Import fossiler Energien und ist somit auch ein Beitrag zum Klimaschutz und zum Schutz der Wälder vor den Folgen der zunehmenden Erderwärmung.


Quelle: Windenergie mit Bürgerbeteiligung und guter Akzeptanz. Best Practise Beispiel Windpark Stiftswald, Region-N Vernetzungstreffen, Lars Rotzsche, Städtische Werke AG Kassel; 09.03.2022 (erhältlich auf Anfrage: Kontaktieren Sie uns)