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Wenn Solarparks Dörfer spalten und was man dagegen tun kann

Es herrscht Goldgräberstimmung in Deutschland. Jeder Acker ist eine potenzielle Fläche für einen Solarpark. Die Anfragen von Projektierern sind mittlerweile so hoch, dass Gemeindevertretungen sich gezwungen sehen, nur noch einen „Solar-Fall“ pro Gemeindevertretersitzung zu behandeln.

Doch das Kapazitätsproblem ist noch das geringste. Schlimmer ist, dass es kaum noch ein Solar-Projekt gibt, gegen das es keinen Widerstand gibt. In den Dörfern prallen die unterschiedlichen Interessen ungeregelt aufeinander. Es kommt zu Konflikten zwischen denen, die von einem Solarpark profitieren, und denen, die nur darauf schauen können, zwischen Energiewendebefürworter*innen und –gegner*innen, zwischen Alteingesessenen und aus der Großstadt Zugezogenen. Die Konfliktparteien stehen sich feindselig gegenüber rüsten verbal auf und das Klima im Dorf ist oft auf Jahre vergiftet.

Im Brandenburger Landkreis Barnim sollte ein 200 ha großer Solarpark entstehen. Mehrere Monate war der Ort im Ausnahmezustand. Dabei ging es nicht mehr nur um verbale Attacken. Flächeneigentümer*innen bekamen Morddrohungen und dem Bürgermeister wurde Amtsmissbrauch und Kungelei vorgeworfen. Und das ist beileibe kein Einzelfall.

Wenn die Praxis so aussieht, hilft es wenig, sich über die neuesten Umfrageergebnisse zu freuen, wonach 65% der Deutschen den Bau von Solarparks auch vor ihrer eigenen Haustür gut finden. Denn wenn Sie wirklich in den betroffenen Dörfern von Haustür zu Haustür gehen und die Menschen befragen, liegt die Ablehnung oft bei über 80%. Hier können Sie froh sein, wenn sich überhaupt jemand mit Ihnen unterhält und man Ihnen nicht die Tür vor der Nase zuschlägt.

Was also tun, wenn man die Energiewende nicht begraben will?

Als erstes sollte man sich klar sein, dass jedes Energiewendeprojekt lokal Veränderungen mit sich bringt. Und Menschen verändern sich nicht gern. Veränderungen brauchen deshalb Zeit – Zeit, zum Verstehen, Zeit, um wütend zu sein, Zeit, zum Verhandeln.

Dann sollte man akzeptieren, dass es sehr unterschiedliche Perspektiven auf die Energiewende gibt – gerade wenn sie in Form von Wind- oder Solarparks konkret wird. Hier gibt es keine richtige oder falsche Perspektive, denn hinter jeder Perspektive stecken triftige Gründe, Ängste und Interessen, die ihre Berechtigung haben. Deshalb sollte man erst einmal zuhören. Woher kommen die Sorgen? Wo gibt es vielleicht Wege?

Das wichtigste ist jedoch, den Menschen vor Ort Mut zu machen, die Veränderungsprozesse, die durch Energiewendeprojekte ausgelöst werden, in die eigenen Hände zu nehmen. Sich die Zeit zu nehmen, um zu verstehen, welche Veränderungen, welche Vorteile, aber auch welche Einschränkungen das Projekt mit sich bringt. Räume zu schaffen, in denen die verschiedenen Perspektiven diskutiert werden können. Und letztlich Strukturen zu etablieren, wie man als Ort Entscheidungen treffen will.

Neben dieser grundsätzlichen Herangehensweise haben wir in der Praxis eine ganze Reihe weiterer Faktoren gefunden, die zum Gelingen eines Solarpark-Projekts beitragen können:

  • Die Möglichkeit zwischen verschiedenen Flächen zu wählen, vermittelt das Gefühl selbst mitentscheiden zu können und nicht einfach vor vollendete Tatsachen gesetzt zu werden. Wenn die Kommune also selbst Land besitzt, lohnt es sich, mehrere geeignete Flächen auszuwählen und dann mit den Einwohner*innen zu diskutieren, auf welcher Fläche der Solarpark gebaut werden soll.
  • Nutzenerwartungen haben natürlich Einfluss auf die Meinungsbildung. Doch sollte dieser Nutzen möglichst konkret dargestellt werden. Die Tatsache, dass eine gewisse Geldsumme pro Jahr in die Gemeindekassen gespült wird, hilft nicht viel weiter. Wenn aber klar ist, dass mit den zusätzlichen Einnahmen die Kita-Gebühren gesenkt werden können, ist das schon überzeugender.
  • Wenn Ihre Kommune selbst kein Land hat, sollte sie versuchen, mit den Landeigentümer*innen ins Gespräch zu kommen. Es gibt gute Beispiele, wo Landeigentümer*innen einen Teil ihrer Pachteinnahmen zur Verfügung stellen, um Projekte im Ort zu fördern. Das macht es den Bewohner*innen leichter, sich mit den Veränderungen zu arrangieren, und bewahrt die Landeigentümer vor sozialer Ausgrenzung.
  • Wichtig ist es, Unterstützer*innen des Projekts in die Öffentlichkeit zu bringen. Menschen orientieren sich an anderen Menschen. Da ist es wichtig, dass nicht nur die Stimmen der Gegner gehört werden. Denken Sie bei der Suche nach Unterstützer*innen nicht nur an Energiewende-Begeisterte, sondern auch an Menschen, die aus anderen Motiven heraus sich für das Projekt einsetzen würden.
  • Wenn Sie als Bürgermeister*in oder als Gemeinderat selbst die Diskussionsprozesse zur Zukunft Ihres Ortes bereichern möchten, dann holen Sie sich besser externe Moderationsunterstützung. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass Kommunikationsprofis auch mit Situationen umgehen können, in denen die Emotionen einmal etwas höher kochen.
  • Und ganz wichtig, legen Sie die Entscheidung über das Solarpark-Projekt letztlich in die Hände der Einwohner*innen, denn so haben nicht Sie oder irgendjemand über die Zukunft des Ortes entschieden, sondern die Bürger*innen selbst.

All diese Faktoren können die Umsetzung von Energiewende-Projekten unterstützen, doch Sie sollten wissen, wann Sie welchen Faktor in welcher Weise einsetzen – das ist die Kunst des Akzeptanzmanagements.

Falls Sie darüber mehr wissen wollen, bieten wir vom 28.–30. Juni 2023 wieder unsere Weiterbildung „Akzeptanzmanagement in Infrastrukturprojekten“ in Potsdam an.

Kontakt: Dr. René Zimmer