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Regionale Wertschöpfung – Bürgerenergie punktet gegenüber externen Projektierern

Welche regionalen Möglichkeiten der Wertschöpfung bieten Erneuerbare? Welche Vorteile für Kommunen haben Bürgerenergie-Projekte? Ergebnisse zweier Studien aus Nordhessen geben darüber Aufschluss.

Häufig hört man in den Medien von Akzeptanzproblemen der Erneuerbaren, insbesondere wegen Konflikten mit dem Naturschutz oder Eingriffen in das Landschaftsbild. Dabei sind „Risiken“ wie der Arten- und Naturschutz durch Vorschriften zumeist klar geregelt und werden von Projektierern von vorherein mitberücksichtigt. Die vielen Chancen, die sich für Kommunen und ihre Bürger*innen durch den Bau von Windparks und PV-Freiflächen-Anlagen ergeben, sind dagegen viel weniger bekannt. Dazu gibt es gute Praxisbeispiele und auch Studien, die die finanziellen Vorteile für Kommunen und Regionen in konkreten Euro-Beträgen ermittelt haben.

Ländliche Regionen – vor allem diejenige, die nicht im Einzugsgebiet von Ballungsgebieten liegen – leiden auch heutzutage an Abwanderung von jüngeren Menschen und einer wegbrechenden Infrastruktur, u. a. im öffentlichen Nahverkehr. Wenn sich solche Regionen entscheiden, den Ausbau der Erneuerbaren in ihrem Gebiet voranzutreiben, verbessern sie ihre Situation als Wirtschaftsstandort. Denn Unternehmen fragen regional produzierten grünen Strom immer stärker nach, um ihre THG-Bilanz zu verbessern. Dies zieht Arbeitskräfte an, die sich in der Region niederlassen. Wenn sich Kommunen überdies an Windparks oder PV-Anlagen direkt beteiligen, erhalten sie zusätzliche Mittel, um ihre Infrastruktur im Sinne der öffentlichen Daseinsvorsorge zu verbessern. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Lebensqualität und damit auf die Attraktivität als Wohnort aus. Und noch zwei weitere entscheidende Vorteile gibt es:

  • Die Abhängigkeit von Energieimporten wird reduziert, die regionale Resilienz und Energieautonomie gestärkt.
  • THG-Emissionen werden eingespart, die kommunale THG-Bilanz verbessert und damit ein zentraler Beitrag zum Klimaschutz geleistet.

Nach der Studie der Universität Kassel „Regionale Wertschöpfung durch erneuerbare Energien in Nordhessen“ (April 2020) hat der Ausbau der Erneuerbaren für Kommunen und regionale Wirtschaft folgende positive Effekte: 

  • Stärkung der Beschäftigung in der Region
  • Zinszahlungen des fremdfinanzierten Anteils der EE-Projekte, die in der Region reinvestiert werden (öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, Genossenschaftbanken)
  • Pachterträge, die im Falle einer Flächennutzung an ortsansässige Landbesitzer abfallen (private / kommunale Flächen)
  • Gewinne, die Betreiber der Anlagen direkt in der Region reinvestieren
  • Steuern, die innerhalb der Region verbleiben
  • Betriebsausgaben, die bei regionalen Dienstleistern und Zulieferern anfallen (z. B. durch Materiallieferungen)
  • Verausgabung von Einnahmen, Gewinnen und Einkommen in der Region („induzierte Wertschöpfung“)

Ob ein Windpark von einem externen, überregionalen Projektierer errichtet und betrieben oder über eine Bürgerenergiegenossenschaft mit Stadtwerke-Beteiligung regional finanziert und projektiert wird, macht hinsichtlich regionaler Wertschöpfung einen großen Unterschied. Das hat die Universität Kassel 2016 in einer Studie mit der SUN Stadtwerke Union Nordhessen festgestellt. Dazu wurden Daten und Detailkosten von Windparks ausgewertet. Die SUN fokussiert beim Bau und Projektierung der Windparks auf Bürgerbeteiligung sowie auf die Einbindung von regionalen Kommunen, Bürgerenergie-Genossenschaften und Banken. Ziel der Studie war es, den Einfluss der Pachtzahlungen im Verhältnis zu anderen Treibern der regionalen Wertschöpfung analysieren.

Wie sich herausstellte, hatten die Pachtzahlungen hierbei den geringsten Einfluss, denn sie werden an das Land Hessen als den Eigentümer der Windpark-Flächen entrichtet. Bei weiteren Wertschöpfungsfaktoren zeigten sich jedoch signifikante Unterschiede zwischen dem Geschäftsmodell eines externen, privatwirtschaftlichen Projektierers und dem SUN-Konzept mit Kommunen- und Bürger*innen-Teilhabe. Nach Investitionen in den Standort, laufenden regionalen Umsätzen der lokalen Wirtschaft, Gewerbesteuern an Kommunen, Erträge an die Kommunen und Bürger*innen, Erträge der SUN und Zinszahlungen an lokale Banken ergab sich ein Unterschied in der regionalen Wertschöpfung von 58 Mio. € für das SUN-Modell und lediglich 7 Mio. € für das Modell des externen Projektierers!

Hierbei wurde auch deutlich, dass die Einkünfte der Eigentümer / Betreiber den Großteil der regionalen Wertschöpfung ausmachen (20 Mio. € bei SUN, 0 € beim externen Projektierer, da die Gewinne quasi aus der Region abfließen). Die direkte Teilhabe von Kommunen und Bürger*innen ist somit einer der zentralen Hebel, um Akzeptanz für Windenergie zu schaffen. Oft ist den Menschen vor Ort der Unterschied zwischen diesen beiden Projektierungsformen aber kaum bekannt. Daher sind Kommunen, Stadtwerke und Bürgerenergie-Genossenschaften, die solche Wertschöpfungsmöglichkeiten aktiv kommunizieren und Teilhabe-Möglichkeiten an Erneuerbaren-Anlagen anbieten, im Vorteil. Denn wenn die Menschen sehen, dass Gelder an die lokale Wirtschaft fließen und z. B. für den Bau von Kindergärten oder zur Sanierung der Infrastruktur verwendet werden, verbessert sich deutlich die Akzeptanz für die regionale Energiewende.

Beitrag: Dr. Edgar Bazing, Klima-Bündnis

Kontakt: Dr. Ines Wilkens, Universität Kassel

Quellen:

„Welche Chancen regionaler und kommunaler Wertschöpfung bietet Windenergie?“ Dr. Ines Wilkens, Universität Kassel | Vortrag zum 7. Vernetzungstreffen Region-N, 09. März 2022

„Regionale Wertschöpfung durch erneuerbare Energien in Nordhessen“ Studie der Universität Kassel, April 2020

"Regionale Wertschöpfung in der Windindustrie am Beispiel Nordhessen", Universität Kassel & Institut dezentrale Energietechnologien gemeinnützige GmbH im Auftrag der SUN Stadtwerke Union Nordhessen GmbH & Co. KG, Mai 2016