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Interview | Mit Dr. Tobias Büttner, Geschäftsführer Energieagentur Rheinland-Pfalz

Die Energieagentur Rheinland-Pfalz initiiert Projekte, unterstützt Kommunen bei konkreten Plänen und zukunftsgerichteten Vorhaben in den Bereichen Energiesparen, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und im kommunalen Klimaschutz.

 

Guten Tag Herr Dr. Büttner, Sie sind seit Juli 2022 Geschäftsführer der Energieagentur Rheinland-Pfalz. Zuvor haben Sie sich in Führungspositionen– u.a. bei MunichRe –  intensiv mit den Herausforderungen des Klimawandels und Erneuerbaren Energie befasst. Was hat Sie bewogen, die Leitung der EARLP zu übernehmen?

Bevor ich zum 1. Juli letzten Jahres Geschäftsführer der EARLP wurde, war ich in der Rückversicherung, zuletzt als Bereichsleiter, tätig. Hier habe ich die klimawandelbedingte Zunahme von Extremwetterereignissen weltweit erlebt; da ich auch für das New-Energy-Ingenieurs-Team zuständig war, war ich in die aktuellen technologischen Entwicklungen bei Erneuerbaren einschließlich Speichertechnik und Netzausbau involviert.

Es war mir dann ein Anliegen, den Schritt in die unmittelbare Arbeit für Klimaschutz und Energiewende zu tun. Und die EARLP ist eine großartige Landesgesellschaft mit 120 außerordentlich motivierten Expertinnen und Experten, und eng in die Aktivitäten des Klimaschutzministeriums und anderer Ministerien in Mainz einbezogen. Und nicht zuletzt ist die gute Zusammenarbeit mit Kommunalen Spitzenverbänden, den Kommunen vor Ort, aber auch den anderen Akteuren wie den Energie- und Naturschutzverbänden überaus motivierend.

 

In einer EARLP-Pressemeldung vom 01.07.2022 heißt es, dass Sie sich darauf konzentrieren möchten, „die EARLP als Säule für die Energiewende und den Klimaschutz in Rheinland-Pfalz (RLP) weiter auszubauen“ - Was sind die aktuellen Arbeitsschwerpunkte der EARLP bzgl. PV-Ausbau in Kommunen?

Im Rahmen des vom Klimaschutzministeriums initiierten kommunalen Klimapakts begleiten wir Kommunen beim Ausbau der Erneuerbaren. Bei Solar PV betrifft dies insbesondere PV auf kommunalen Dachflächen, aber auch PV-Freiflächenanlagen auf dem Gebiet der Kommunen. Das Solarpaket der Landesregierung wird aus unserer Sicht zu einem weiteren Schub führen. Wir unterstützen aber auch in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft beim Einsatz neuer PV-Technologien, wie der Agri-PV. Hier dienen die landwirtschaftlich genutzten Flächen zusätzlich zur Stromerzeugung.
Spannend sind zudem Projekte, bei denen Erneuerbare Energie-Anlagen zur Stromerzeugung im Kontext nachhaltiger Wärmekonzepte errichtet werden. So plant eine Gemeinde in RLP ein Nahwärmenetz, das mit Windenergieanlagen und Freiflächen-PV kombiniert werden soll. Hier begleiten wir als Energieagentur Rheinland-Pfalz die Kommune im Rahmen unseres Engagements im Bereich Wärme, Gebäude und Quartiere.

 

Was ist aus Ihrer Perspektive der Status von PV-Freifläche in Kommunen? Wie schätzen Sie die Situation bundesweit ein? Wie ist die Situation aktuell in RLP?

Zunächst zu den Zahlen: Der Bund hat sich für SolarPV das ambitionierte Ausbauziel von jährlich 22 GW ab 2026 gesetzt; davon soll die Hälfte, also 11 GW p.a., über PV Freiflächenanlagen abgedeckt werden. In 2022 kam es bundesweit zu einem Zubau von etwa 2,8 GW PV Freiflächenanlagen, der Bestand betrug per Jahresende knapp 20 GW.

Und in Rheinland-Pfalz betrug der Zubau PV in 2022 insgesamt 324 MW, davon 96 MW installierte Leistung über PV Freiflächenanlagen. Der Gesamtbestand PV betrug per Jahresende 3,1 GW, davon wiederum 885 MW Freiflächenanlagen.

Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien wird von der Bundesregierung ebenso wie von der Landesregierung in RLP vorangetrieben: Dies beginnt mit der Festschreibung eines „überragenden öffentlichen Interesses“ an Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, das im Genehmigungsverfahren in die Entscheidung einzufließen hat. PV-Freiflächenanlagen an Autobahnen und Schienenwegen sind nun baurechtlich außenbereichs-privilegiert.

In 2023 gibt es deutlich erhöhte Ausschreibungsvolumina und Höchstgebote für die Zuteilung nach EEG durch die Bundesnetzagentur. Und das Solarpaket der rheinland-pfälzischen Landesregierung gibt zudem Impulse für den schnelleren Ausbau der Solarenergie im Land, wie beispielsweise die Erhöhung der Ausschreibungsvolumina für Freiflächen-PV auf Grünland- und Ackerflächen in benachteiligten Gebieten auf nun 400 MW. Das Bundesministerium für Klimaschutz und Energie arbeitet, unter Einbeziehung der Länder, darüber hinaus an einer erweiterten PV-Strategie, die dann durch weitere Maßnahmen umgesetzt werden soll – das erwähnte Ausbauziel von 22 GW bundesweit jährlich ab 2026 im Blick.

 

Welche Chancen sehen Sie für den weiteren Ausbau von PV-Freifläche in Kommunen – und welche Herausforderungen?

PV-Freiflächenanlagen werden in Zukunft eine große Bedeutung für die regenerative Energieerzeugung haben. Für Standortkommunen ist die Ansiedlung solcher Anlagen mit Chancen verbunden:

  • Die Planungshoheit liegt auf Ebene der Gemeinde, d.h. die Anlagen sind im Regelfall nicht außenbereichspriviligiert im Sinne des Baugesetzbuches, es bedarf der Bauleitplanung, der Standort wird im Bebauungsplan von der Gemeinde festgelegt.
  • Die Standortkommune profitiert finanziell, das Gesetz ermöglicht eine Beteiligung von 0,2 Cent/kWh je eingespeister Strommenge, was künftig in RLP obligatorisch wird.
  • Seit 2021 ermöglicht die neue Verteilung der Gewerbesteuer, dass diese zu 90% auf die installierte Leistung in der Standortkommune verteilt wird und zu 10% auf die Arbeitslöhne.
  • Kommunen können aber nicht nur die Ansiedlungswünsche von Betreibern auf ihrem Gebiet stattgeben, sondern auch selbst über eine Kommunalgesellschaft ein Beteiligungsmodell umsetzen.

Gleichwohl sind mit PV-Freiflächenanlagen nicht unerhebliche Herausforderungen verbunden. Die Umsetzung von Infrastrukturvorhaben, zu denen diese auch zählen, sind immer mit Konfliktpotential verbunden:

  • Fehlende Akzeptanz bei den Bürgern
  • Konflikte, auch mit Nachbarkommunen
  • Hohes Maß an Transparenz nötig, ebenso wie eine aktive Konfliktlösung
  • Technische Voraussetzungen, wie z.B. die Verfügbarkeit des Netzanschlusses
  • Abschluss von Solidarpakten mit finanzieller Beteiligung; ein Beispiel für EE und PV-Freiflächenanlagen ist z. B. die Verbandsgemeinde Zell, in der alle Ortsgemeinden (insgesamt 23) im Rahmen eines Solidarpaktes von den Pachterlösen der EE (auch der PV-Freiflächenanlage) profitieren (werden) (siehe auch:https://www.energieagentur.rlp.de/info/die-energieagentur-informiert/aktuelle-meldungen/aktuelles-detail/vom-solidarvertrag-profitieren-alle/)
  • In der Praxis gibt es aber auch oftmals konkrete technische Herausforderungen: Etwa den Netzanschluss, wenn Verfügbarkeit und Kapazität am Netzverknüpfungspunkt ausgeschöpft sind

 

Welche aktiven Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich Kommunen – vor allem vor dem Hintergrund des EEG 2023 und der Umsetzung der EU-Notfallverordnung?

Mit dem EEG 2023 sind erneut Regelungen ins Gesetz aufgenommen worden, die den Kommunen neue Gestaltungsmöglichkeiten beim Ausbau der Freiflächen PV bieten. So wurde beispielsweise die förderfähige Flächenkulisse entlang von Autobahnen und Schienenwegen auf 500 Meter, gemessen vom Rand der Fahrbahn, erweitert. Aufgrund des Umsetzungsgesetzes der EU Notfallverordnung können Betreiber von Erleichterungen profitieren. So entfällt in ausgewiesenen Gebieten, die bereits eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung durchlaufen haben, die Pflicht der Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine Artenschutzprüfung ist aber weiterhin durchzuführen.

 

Welche Unterstützungsangebote hat die EARLP für Kommunen zum weiteren und schnelleren Ausbau von PV – insbesondere von PV-Freifläche?

Im Rahmen des bereits erwähnten Kommunalen Klimapaktes unterstützen und begleiten wir Kommunen beim Ausbau von Erneuerbaren Energien, insbesondere bei der Errichtung von PV-Freiflächenanlagen auf dem Gebiet der Kommune. Dies geschieht in enger Kooperation mit der Kommunalverwaltung und ggf. von der Kommune beauftragten Dienstleistern. Unsere Unterstützungsleistungen können sich dabei auf den gesamten Prozess beziehen, von der Konzeption bis zur Inbetriebnahme der Anlage:

  • Analyse der Ausgangslage (Informationen zu Flächenanforderungen, Netzverknüpfungspunkte, Vergütungsformen, rechtliche Entwicklung etc.)
  • Umsetzung von Teilhabe und Pachtmodellen, Initiierung eines Eigenbetriebs, Optimierung der Wertschöpfung oder Vereinbarung eines Solidarpaktes
  • Prozessbegleitung (Entwicklung der Prozessschritte, Abstimmung der handelnden Akteure, z. B. Begleitung beim Vergabeverfahren von Dienstleistern)
  • Bauleitplanung (Fragen bei Zielabweichungsverfahren vom regionalen Raumordnungsplan, Festsetzung konkreter Standorte, …)
  • Konfliktlösung (Informationsveranstaltungen vor Ort, Einbezug relevanter Netzwerkpartner, Mediationsverfahren, …)
  • Netzanschluss (Identifikation der Anschlusspunkte, Abstimmung mit dem Verteilnetzbetreiber bei Ausbauvorhaben)

 

Was würden Sie Kommunen empfehlen, die den Ausbau von PV-Freiflächen in ihrem Gebiet stärker vorantreiben möchten? Was könnten und sollten sie tun? Auf was sollten sie achten – auch im Hinblick auf die Akzeptanz solcher Anlagen bei den Bürger*innen vor Ort?

  • Die Rahmenbedingungen für PV-Freiflächenanlagen sind gut in RLP, aber die Komplexität erfordert eine umfassende Planung unter Einbeziehung aller Handlungsmöglichkeiten.
  • Transparenz im Verfahren und proaktive Herangehensweise an die Lösung möglicher Konflikte ist zentral.
  • Die Rolle der Kommune ist von Beginn bis Ende essentiell: Sie sollte für ihr Gebiet ein klares Standortkonzept entwickeln und eine klare Vorstellung davon haben, wo und wie sie solche Projekte umsetzten möchte.
  • Eine unmittelbare Bürgerbeteiligung ist wichtig und wird auch von uns unterstützt.


Abschließend: PV-Freiflächenanlagen werden eine entscheidende Rolle beim Ausbau der Erneuerbaren Energie spielen, deshalb ist es wichtig, die Entwicklung und Gestaltung der Anlagen proaktiv zu begleiten! Die Einhegung solcher Anlagen kann, im Hinblick auf das konkrete Bild vor Ort, sehr förderlich sein. Eg gibt hierzu sehr gute Natur-und Artenschutzrechtliche Leitfäden.

 


Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Tobias Büttner für das Interview.

 

Kontakt: Tobias Büttner

Mehr Info / Website: www.energieagentur.rlp.de