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Interview | Mit Cornelia Petzold-Schick, Oberbürgermeisterin der Stadt Bruchsal

Cornelia Petzold-Schick ist seit 2009 Oberbürgermeisterin der Großen Kreisstadt Bruchsal. In dieser Funktion ist die Juristin Vorsitzende in verschiedenen Aufsichtsräten, unter anderem der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal sowie den Stadtwerken Bruchsal. Darüber hinaus engagiert sie sich im Deutschen Städtetag als Mitglied des Hauptausschusses sowie im baden-württembergischen Städtetag als Mitglied des Sozialausschusses und des Ausschusses „Umwelt, Verkehr und Entsorgung“.

 

Guten Tag Frau Petzold-Schick. Bruchsal gilt als Vorreiter bei der Energieleitplanung. Und im Januar 2020 hat der Gemeinderat die Klimaschutzziele „50-80-90“ (50 % Energieeffizienz/Energieeinsparung - 80 % Erneuerbarer Energien-Anteil - 90 % CO2-Einsparung) entsprechend den Zielen des Landes Baden-Württemberg verabschiedet. Was war der Auslöser für diese positive Entwicklung?

In Bruchsal gibt es die Grundüberzeugung, dass die Klimawende handlungsleitend ist und gestaltet werden muss. Mir persönlich ist es wichtig, dass dafür entsprechende Strukturen geschaffen werden. Mit der Wärmeplanung schaffen wir einen Einstieg in solche Strukturen in unserem Stadtgebiet. Sie reichen von der Einbindung einer Energieagentur bis hin zur Standortverantwortung für Geothermie. Wir müssen jetzt auf eine erneuerbare Wärmeversorgung umsteigen. Und wir dürfen uns nicht im „Klein Klein“ verlieren, sondern die Sache im Großen denken, um irreversible Fehler zu vermeiden. Dieses Verständnis gibt es bei uns schon seit mehr als drei Jahren, also schon lange vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022.
 

Was waren die Herausforderungen in der Energieleitplanung, und insbesondere bei der Wärmeplanung?

Vor allem die Mühe der Ebenen zu durchlaufen. Zunächst hat unsere Energieagentur, die Umwelt- und EnergieAgentur Kreis Karlsruhe (UEA) die Potenziale für erneuerbare Wärmenetze ermittelt. Dann haben wir uns die Stadt unter planerischen Gesichtspunkten angeschaut und analysiert, in welchen Quartieren mit welchen Anker-Kunden Netze wirtschaftlich betrieben werden können. Dazu wurden Wärmekarten angelegt, wo auch große Einrichtungen wie Schulen und andere kommunale Liegenschaften abgebildet sind. Als Stadt oder Landkreis ist es wichtig, mit voller Überzeugung und als Vorbild voranzugehen und z. B unsere Schulen und andere kommunalen Liegenschaften an die Netze anzuschließen, nur so kann man dann auch Bürger*innen und Wirtschaft davon überzeugen.
 

Wo stehen sie aktuell in der Wärmeplanung? Haben Sie inzwischen eine Strategie entwickelt und sind Sie bereits in der Umsetzung?

Eine Strategie haben wir schon länger entwickelt. Zunächst konzentrieren wir uns auf verdichtete Neubaugebiete, die mit Fernwärme versorgt werden sollen, und auf und Wärmeinseln mit großen Anker-Kunden. Wenn dies einheitlich geregelt ist, dann überzeugt das auch die Investoren. Aktuell setzen wir in der Südstadt von Bruchsal ein Wärmenetz um, das hauptsächlich aus Hackschnitzeln und mit Solarthermie versorgt wird. Für die nahe Zukunft ist geplant, die Inselnetze zusammenzuschließen und Tiefengeothermie als Hauptwärmequelle zu nutzen.
 

Was waren oder sind die Herausforderungen in der Umsetzung?

Die Herausforderung bei der Fernwärme ist, dass wir den Anwohner*innen sagen müssen, so und so viele müssen sich anschließen lassen. Ansonsten lohnt es sich nicht, die Straßen aufzureißen und Leitungen zu verlegen. Außerdem gibt es das Problem der Ungleichzeitigkeit: In Quartieren, in denen man ein Fernwärmenetz plant, müssen sich die Anwohner*innen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden, ob sie sich anschließen lassen, später ist es dann nicht mehr so leicht möglich. Während man in Quartieren ohne Wärmenetz-Anschluss in den einzelnen Gebäuden Öl- bzw. Gasheizungen sukzessive durch Wärmepumpen ersetzen kann – was den Bürger*innen zeitlich mehr Entscheidungsspielraum gibt.

Außerdem gibt es Quartiere, die erst später in die Umsetzung gehen. Dort muss man den Menschen vermitteln, noch zu warten und in der Zwischenzeit keine individuellen Lösungen – z. B. Wärmepumpen – einzubauen. Dazu muss die Kommune aktiv mit den Bürger*innen kommunizieren. Z. B. Bürgerversammlungen einberufen, auf denen Ortsvorsteher, Stadtwerke und OBin die Notwenigkeit der Energiewende betonen und an die Eigenverantwortung der Menschen appellieren. Ganz wichtig ist, dass man es damit ernst meint! Und dass wir als Bürgermeister*innen in unserer Kommunikation aktiv für die Wärmewende werben.
 

Wie ist es Ihnen gelungen, im Gemeinderat und bei wichtigen Akteuren in der Stadtgesellschaft Konsens für den Energieleitplan bzw. die Wärmeplanung zu schaffen?  Welche Akteure haben Sie eingebunden? Wie haben Sie Akzeptanz, z. B. bei Stadtwerken und Bürger*innen, für Planung und Umsetzung geschaffen?

Es braucht die Unterstützung von Gemeinderät*innen, Multiplikator*innen und Wirtschaftsvertreter*innen. Es braucht „Übersetzer*innen“ in Richtung der Menschen, z. B. die Ortsvorsteher*innen, denn die Stadtwerke allein können das nicht schaffen.

Für die Wärmeplanung ist ein Zielbild wichtig, das auf Quartiere runtergebrochen ist und das man dann zielgruppenspezifisch angeht. Bei uns in der Südstadt, einem „verdichteten“ Gebiet mit großen Wohnblocks, ist es einfacher, die Leute zu erreichen. Hier kann man über eine Wurfsendung mit der OBin als Absenderin die Menschen direkt ansprechen. Sie merken dann: „Es geht um mich und meine Wohnung“, „Die OBin hat mich in meinem Quartier ausgeguckt“, „Ich werde gesehen in meiner Verantwortung“. Das steigert natürlich deutlich die Akzeptanz für das Vorhaben. 

Unser Gemeinderat hat quer durch alle Fraktionen verstanden, dass die Energiewende auch Fernwärme braucht. Wichtig ist, dass Wärmeplanung nicht zu einem ideologischen Thema wird. Aktuell ist „Versorgungssicherheit“ ein gutes Argument, das breiten Zuspruch erhält.

Bei unseren Stadtwerken ist die Kommune 100%ige Gesellschafterin, und ich bin als OBin Aufsichtsratsvorsitzende. Die Stadtwerke können einen großen Beitrag leisten, dass wir als Kommune klimaneutral werden. Für Stadtwerke ist das Geschäft der Wärmeplanung gleichzeitig eine Chance, um langfristige Kundenbindungen zu schaffen – die Zeit ist jetzt reif dafür.
 

Was sind aus Ihrer Erfahrung die Do's und Dont's bei Planung und Umsetzung?

  • Von Beginn an die positiven Aspekte herausstellen: Dass es notwendig ist für eine klimaneutrale Stadt, wichtig für die Zukunft der Stadtwerke, Energiesicherheit für Wirtschaft und Bürger*innen bietet und regionale Wertschöpfung fördert.
  • Interdisziplinär arbeiten, die Verwaltungsleiter*innen, das Umweltamt und die Wirtschaftsförderung einbinden.
  • Die Politik von den Chancen der Wärmeplanung überzeugen und vermitteln, dass man dabei investieren beziehungsweise in Vorleistung gehen muss.
  • Darauf hinarbeiten, dass Wärmeplanung bei den Stadtwerken zur Chefsache wird.
  • Ankerkunden aus der Wirtschaft und aus dem Bereich der kommunalen Liegenschaften gewinnen, z. B. Schulen, um große Abnahmemengen sicherzustellen.
  • Deutlich machen, dass CO2-Neutralität ihren Preis hat und offensiv mit den Kosten umgehen.
  • Mut und Ausdauer haben, um die Mühen der Ebene zu durchlaufen.

Erneuerbare Wärmenetze erhöhen die Resilienz von Kommunen in Krisenzeiten und leisten einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Daseinsfürsorge – daher der Appell an alle Kolleg*innen in den Rathäusern: Bringen sie die Wärmeplanung mutig voran!
 

Wir bedanken uns bei Frau Petzold-Schick für das Interview.
 

Kontakt: Ina Kunzmann, Pressesprecherin Büro der Oberbürgermeisterin der Stadt Bruchsal

Stadt Bruchsal, Abteilung Umwelt und Mobilität