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Interview | David Pätzold Stadtwerke Tübingen GmbH

David Pätzold ist bei den Stadtwerken Tübingen für den Solarthermie-Park „Au“ verantwortlich. Über die Entstehung dieser Anlage zur erneuerbaren Wärmeerzeugung, die in der Tübinger Südstadt Ende 2025 in Betrieb gehen soll, haben wir uns mit ihm unterhalten.
 

Guten Tag Herr Pätzold, würden Sie uns kurz Ihren Werdegang beschreiben? Was motiviert Sie persönlich für das Thema Solarthermie? An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell bei den Stadtwerken Tübingen?

Bei den Stadtwerken Tübingen (swt) bin ich aktuell Projektleiter des Solarthermie-Parks „Au“. Die Anlage zur erneuerbaren Wärmeerzeugung entsteht derzeit in der Tübinger Südstadt. Gleichzeitig betreue ich die Umstellung auf digitale Wärmemengenzähler – die Digitalisierung soll bis Ende 2026 abgeschlossen sein. Dann ermöglicht es die Fernauslesbarkeit der Zähler, große Datenmengen zur Analyse und energetischen Optimierung im Fernwärmenetz zu nutzen. Zudem hat es den Vorteil, dass die Zählerstände nicht mehr vor Ort beim Kunden abgelesen werden müssen. Das spart Zeit, reduziert Fehler und macht Schätzungen überflüssig. Daneben arbeite ich außerdem an Transformationsplänen für die Fernwärmenetze in Tübingen mit.

Zu den swt bin ich aufgrund meines Interesses an Erneuerbaren Energien schon während meines Studiums gekommen. In meiner Masterarbeit habe ich untersucht, wie die Tübinger Klimaziele – CO2-Neutralität bis 2030 – im Bereich der Fernwärme realisiert werden können. Im Rahmen meiner Abschlussarbeit wurden erneuerbare Energieversorgungsvarianten für Fernwärmenetze entwickelt und nach ökologischen und ökonomischen Kriterien bewertet. 

 

Wie ist das Projekt des Solarthermieparks „Au“ entstanden?

Alles begann 2016 mit der Klimaschutz-Initiative der Universitätsstadt Tübingen. Ziel war es, die besten Optionen für den Ausbau erneuerbarer Energien bei der Fernwärme zu prüfen und Projekte zu identifizieren, die sich nach damaligem Stand der Technik am schnellsten realisieren ließen. Eine der größten Herausforderungen war die Suche nach geeigneten Standorten für eine Solarthermieanlage. Gemeinsam mit dem Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites), dem Regionalverband und der Stadtplanung wurden 20 mögliche Flächen untersucht. Am Ende blieben jedoch nur zwei potenziell nutzbare Flächen übrig: eine Erddeponie am Stadtrand auf der Gemarkung einer Nachbargemeinde, die aufgrund ihrer Höhenlage und der bis 2030 geplanten Weiternutzung ausschied, sowie die Fläche „Au“ in Tübingen, die an ein Wasserschutzgebiet grenzt. Diese Besonderheit bringt spezifische Anforderungen mit sich, wie die Nutzung von reinem Wasser statt Glykol zur Frostsicherung, sowie zusätzliche Kosten für Gutachten und einen umfangreicheren Abstimmungsbedarf mit Behörden wie dem Landratsamt.

 

 

Wie ist die Anlage konzipiert und was wird sie leisten?

Das Grundstück der „Au“ erstreckt sich über 23.000 m², die Aperturfläche beträgt 12.000 m², die mit hocheffizienten Vakuumröhrenkollektoren bestückt wird. Diese erzeugen jährlich rund 6.000 MWh erneuerbare Wärme, die über Wärmetauscher in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Die Kollektoren sind dabei bewusst vom Fernwärmenetz entkoppelt, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Zur Optimierung der Effizienz und zum Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch wird ein Wärmespeicher mit einem Volumen von 1.250 m³ errichtet. Dieser ist großzügig dimensioniert, um nicht nur die Solarwärme, sondern auch Energie aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen aufzunehmen. Langfristig kann der Speicher dadurch für die geplanten Großwärmepumpen an der Kläranlage oder das Holzheizwerk genutzt werden, da der Speicher an einem hydraulisch vorteilhaften Standort im Südstadtnetz liegt. Die Solarthermieanlage ermöglicht eine jährliche CO₂-Einsparung von etwa 880 Tonnen. Die Inbetriebnahme ist für Herbst 2025 geplant.

 

Welche planerischen Schritte gingen dem Projekt voraus?

Im Jahr 2016 startete zunächst die Suche nach einer geeigneten Fläche. Zwei Jahre später führten wir gemeinsam mit dem Steinbeis-Forschungsinstitut Solites die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geförderte Machbarkeitsstudie 4.0 durch. Ziel der Studie war es, die beiden potenziellen Standorte „Erddeponie“ und „Au“ umfassend zu analysieren – insbesondere unter wirtschaftlichen Aspekten und anhand verschiedener Simulationsmodelle, die sowohl den aktuellen als auch zukünftige Wärmebedarfe berücksichtigen.

Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie stellten wir einen Förderantrag auf Mittel aus der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). Dank der BEW-Förderung (Modul 3) werden nun 40 Prozent der Investitionskosten der Anlage übernommen. Insgesamt kostet das Projekt rund 15 Millionen Euro – wovon etwa ein Drittel für die Druckhaltung, den netzgebundenen Großwärmespeicher sowie die Fernwärmeleitung benötigt wird.

In Tübingen gibt es derzeit drei große Wärmenetze, von denen der Solarthermie-Park „Au“ zunächst das Südstadtnetz versorgen wird. Wir erwarten, dass die Solarthermie im Jahresdurchschnitt 12 bis 15 Prozent des Wärmebedarfs decken kann – in den Sommer- und Übergangsmonaten sogar beeindruckende 80 bis 90 Prozent. Nach Fertigstellung der Anlage wird für die Erzeugung von 6.000 MWh Wärme statt fossilen Brennstoffen nur noch eine geringe Menge Strom benötigt. 

Derzeit wird eine Verbindungsleitung geplant, die die bestehenden Fernwärmenetze – das Südstadtnetz, die Alte Weberei und das Innenstadtnetz – zu einem gemeinsamen Netzverbund Süd zusammenführt. Da in der Innenstadt keine Flächen für größere Erneuerbare-Anlagen vorhanden sind, soll zukünftig vom Süden ebenfalls Wärme in das Innenstadtnetz eingespeist werden. 

 

Was waren bei Ihrem Projekt die größten Herausforderungen, und wie sind Sie damit umgegangen?

Die größte Herausforderung bestand zunächst darin, einen geeigneten Standort für die Anlage zu finden. Um die Bürgerschaft in den Prozess einzubeziehen, organisierten die Stadtverwaltung und die Stadtwerke im September 2022 eine Informationsveranstaltung, zu der die Öffentlichkeit eingeladen wurde. Bei dieser Veranstaltung erläuterten Oberbürgermeister Boris Palmer, Experten von Solites sowie die Projektverantwortlichen der Stadtwerke Tübingen das Vorhaben und nahmen die Anliegen und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger auf.

Das Ergebnis wird allen Bedürfnissen gerecht: Ein Drittel der Fläche soll für Freizeitgestaltung genutzt werden, wobei sich die Stadtwerke an den Kosten beteiligen. Die verbleibenden zwei Drittel wurden für den Bau der Solarthermie-Anlage vorgesehen. Im Zuge der Diskussion zwischen Befürwortern von Freizeitgestaltung und Solarthermie war es besonders wertvoll, dass sich eine Anwohnerin und gleichzeitig Vertreterin von Fridays for Future für das Wärmeprojekt stark gemacht hat. Sie wies darauf hin, dass in der Nähe bereits zahlreiche Flächen für Freizeitaktivitäten existieren, jedoch nur wenige geeignete Flächen für erneuerbare Energien, die einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz und zu einer lebenswerten Zukunft leisten. Diese Unterstützung zeigte, wie wichtig es ist, engagierte Bürgerinnen und Bürger als Befürworter*innen solcher Projekte zu gewinnen.

Beim Mitmachfest auf dem zukünftigen Gelände des Solarthermie-Parks Au wurden erste Entwürfe sowie die Funktionsweise der Solarthermie-Anlage vorgestellt. Zudem hatten die Anwohnerinnen und Anwohner die Gelegenheit, ihre Ideen und Vorschläge zur Gestaltung des Freizeitareals einzubringen, die im Anschluss von der Stadtverwaltung ausgewertet und in die weitere Planung integriert wurden.

 

Inwieweit hat die Kommune beim Zustandekommen des Projekts unterstützt?

Es war entscheidend, dass Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer – gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke – von dem Projekt überzeugt ist und es aktiv unterstützt. Auch beim Bebauungsplan, bei dem wir auf die Zusammenarbeit mit verschiedenen Ämtern, kommunalen Fachbereichen und Behörden angewiesen waren, erhielten wir wertvolle Unterstützung – insbesondere vom Wasserwirtschaftsamt und dem Landratsamt. 

 

Welche Empfehlungen würden Sie Kommunen oder Stadtwerken geben, die solche Projekte oder ähnliche Projekte realisieren möchten? 

Planen Sie ausreichend Zeit und Vorlauf für die Suche nach geeigneten Flächen ein. Auch wenn das Flächenpotential zunächst groß erscheint, zeigt sich nach einer Machbarkeitsstudie oft, dass nur wenige Flächen wirtschaftlich und genehmigungsrechtlich geeignet sind.

  • Wählen Sie für die technische Umsetzung kompetente Dienstleister (z. B. Ingenieurbüros oder spezialisierte Institute), die in der Lage sind, auf Augenhöhe mit der Stadtplanung zusammenzuarbeiten.
  • Organisieren Sie den Umgang mit vielfältigen Stakeholdern – von Auftragnehmern und Ämtern bis hin zu Bürger*innen und Stadtwerken – effizient und klar.
  • Etablieren Sie Schnittstellen zu klar definierten und gut eingearbeiteten Ansprechpartner*innen, um wechselnde Zuständigkeiten und unnötige Verzögerungen im Projekt zu vermeiden.
  • Richten Sie einen Lenkungskreis ein, der sich beispielsweise quartalsweise trifft, um den aktuellen Status und die nächsten Schritte zu besprechen. 
  • Binden Sie die betroffenen Bürger*innen frühzeitig mit Informations- oder Beteiligungsveranstaltungen ein, sobald eine belastbare Planung vorliegt.
  • Planen Sie für die Ausschreibung der Anlage ausreichend Vorlaufszeit ein, um wettbewerbsfähige Angebote zu erhalten und nicht von wenigen Anbietern abhängig zu sein. Es empfiehlt sich, alle Leistungen in einem Los auszuschreiben, um Abstimmungsaufwand mit Dienstleistern (insbesondere Ingenieursbüros und Bauleitungen) und damit verbundene Kosten zu minimieren.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Pätzold für das Interview!


Kontakt: David Pätzold, Projektleiter Solarthermie-Park Au, Stadtwerke Tübingen GmbH (David.Paetzold@swtue.de)