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Interview | Daniel Willeke, Vorsitzender BVKS

Daniel Willeke, Klimaschutzmanager in Falkenberg und Vorsitzender des Bundesverbands Klimaschutz (BVKS), berichtet im Interview, wie wichtig Bürgerbeteiligung und gesicherte Finanzierungswege sind, damit Verpflichtungen aus der Wärmeplanung nicht in der Schublade versanden.

Guten Tag Herr Willeke. Würden Sie uns kurz sagen, was aktuell Ihre Aufgaben sind? Und welche Rolle das Thema kommunale Wärmeplanung (KWP), aber auch Bürgerbeteiligung bei der KWP in ihrem beruflichen Umfeld spielt?

Aktuell arbeite ich als Klimaschutzmanager in Falkenberg, das zur Verbandgemeinde Liebenwerda gehört und im Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg liegt. Parallel dazu bin ich als Erster Vorsitzender des Bundesverbandes Klimaschutz (BVKS) aktiv, den ich mitgegründet habe. Ursprünglich habe ich Landschaftsarchitektur und Umweltplanung (Dipl. Ing.) studiert und mich dadurch bereits früh für die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung interessiert. Bei Klimathemen ist Partizipation der Bürger*innen immer ein zentrales Thema. Bei solchen Projekten ist es wichtig, dass sie nicht nur am grünen Tisch entwickelt werden, sondern dass man die Bürger*innen einbezieht und sie mitgestalten lässt. 

Was die Wärmeplanung angeht, sind wir in Falkenberg gerade dabei, sie durchzuführen. Die Initiative dafür ging von unserem Bürgermeister aus. Die Planungsverantwortliche Stelle ist das Bauamt der Verbandsgemeinde, ich selbst bin in den Prozess als Klimaschutzmanager eingebunden. Falkenberg ist eine von vier Städten, die zur Verbandsgemeinde fusioniert sind. Es gibt in der Region jedoch auch Kommunen, die die bisher keine Wärmeplanung durchführen. Die Gründe dafür waren unterschiedliche Einzelinteressen der Kommunen, fehlendes Wissen über die Wärmeplanung oder teilweise auch persönliche Vorurteile gegenüber der Energiewende.
 

Würden Sie uns aus Ihren eigenen Erfahrungen und der Ihrer Kolleg*innen, z. B. im BVKS, berichten, wie Klimaschutzmanager*innen aktuell die Wärmewende in ihren Kommunen wahrnehmen und was sie dabei besonders beschäftigt? 

Ich sehe die Gefahr, dass sich Dinge, die bei Klimaschutz und -anpassung in der Vergangenheit passiert sind, jetzt bei der Wärmeplanung wiederholen. Dass man mit Zwängen konfrontiert wird, weil Begrifflichkeiten vorbelastet sind, oder dass eine generelle Ablehnungshaltung aufkommt, weil gewisse politische Parteien unbeliebt sind.

Wärmeplanung ist ein Thema, das weit in die Zukunft reicht. Viele Kommunalvertreter*innen können sich solche Zeitachsen von mehreren Jahrzehnten schwer vorstellen, und sie denken oft auch nur bis ans Ende ihrer Legislaturperiode (in Brandenburg dauert die Wahlperiode 5-8 Jahre). Durch Wahlen entstehen immer wieder „Abruchkanten“: Wenn neue Personen ins Amt kommen, die kein Interesse oder andere Prioritäten haben, kann ein solches Thema schnell wieder in den Hintergrund rücken. Was man dann aufgebaut hat, bröckelt quasi ab und Konzepte bleiben in der Schublade.

Man macht dann die Erfahrung: Die Wärmeplanung ist verpflichtend, sie wird finanziert und durchgeführt, aber am Ende wird sie nicht umgesetzt. Denn dafür brauche ich ja dann jemanden, der die Planung und Umsetzung übernimmt und sie finanziert, vor allem wenn kein Stadtwerk vorhanden ist. Und das betrifft viele Kommunen, denn etwa 70% davon sind in Deutschland finanzschwach. Daher ist die entscheidende Frage: Wie erhalte ich eine Finanzierung oder Förderung, um eine Planungs- oder  Ingenieursleistung auszuschreiben und ein Netz oder eine Anlage zu finanzieren. Über diese entscheidende „Abruchkante“ muss die Wärmeplanung hinwegkommen, sonst war sie umsonst.  

Wärmeplanung und Klimaschutz zusammen zu denken funktioniert oft gut. Das bedeutet, bereits im Klimaschutzkonzept auf Synergien mit der Wärmeplanung hinzuarbeiten, z. B. in der Datenbeschaffung, so dass man Daten nur einmal bei den entsprechenden Stellen anfordern muss. Dann kann das Klimaschutzmanagement auch als planungsverantwortliche Stelle agieren. Sehr wichtig ist die Rückdeckung durch die Verwaltungsspitze bzw. die/den Bürgermeister/in, denn sie können das Thema innerhalb der Kommune „durchboxen“. Oft haben Politik und Verwaltung aber Angst, dass es in der Öffentlichkeit Widerstand gibt oder dass das Thema zu viel Fachkompetenz und Ressourcen frisst. Dann entsteht die Haltung: „Wir haben ja noch andere dringende Themen“.  
 

Was sind aus Sicht von KS-Manager*innen aktuell die größten Herausforderungen bei der KWP? Und wie gehen Sie damit üblicherweise um? Gerne auch anhand von Beispielen.

Insbesondere die Kosten der Wärmeplanung. Wenn man schon an der Kommunalrichtlinie scheitert, weil das Förderportal des Bundes – easyonline – alles andere als einfach ist, wie soll man dann die Finanzierung eines Großwärmeprojekts stemmen? Ein Wärmeplan ist verpflichtend, seine Umsetzung nicht. Viele Kollegen haben stapelweise dringliche Aufgaben. Dazu kommen Arbeitsplatzverdichtung und dass immer mehr Aufgaben von oben durchgereicht werden. Es gibt immer mehr Rechtsvorschriften, die zu erfüllen sind. Und durch den demographischen Wandel gehen in manchen Kommunen in den nächsten Jahren etwa Zweidrittel der Verwaltungsmitarbeitenden in den Ruhestand.

Die Frage ist, wie man fachkundiges Personal für Energiethemen bekommen kann, die für Planung und Umsetzung der Wärmeplanung qualifiziert sind – vor allem angesichts der Konkurrenz aus der freien Wirtschaft und mittlerweile auch der Bundeswehr. Am Ende ist es eine Frage des Gehalts, aber die Kommunen sind oft verschuldet, müssen sparen und die Gewerbesteuereinnahmen werden weiter sinken, wenn die Wirtschaft weiter stagniert. Selbst Pflichtaufgaben können oft nicht mehr umgesetzt werden, denn was passiert schon, wenn sie nicht gemacht werden? Dieses Konglomerat an Faktoren führt u.a. dazu, dass viele wichtige Aufgaben für Klimaschutz und Energiewende auf die lange Bank geschoben werden. 
 


Welche Arten / Formen der Beteiligung wünschen sich die Bürger*innen von den Kommunen bei der Wärmeplanung?

Eine frühzeitige und intensive Kommunikation und Beteiligung. Die “klassische Beteiligung“ sieht – bildlich gesprochen – so aus, dass die Bürger*innen im hintersten Zimmer des Verwaltungsgebäudes Vorschläge oder Ideen in eine Liste eintragen können, die dann irgendwo in einem Aktenordner verschwinden. Oder dass man die Bürger*innen in eine Turnhalle oder einen Rathaussaal einlädt, sie frontal informiert, ihre Fragen beantwortet, und dann alle wieder nach Hause gehen.

Aber man kann es auch anders machen, und die Bürger*innen motivieren, sich mitzuteilen und ihre Ideen einzubringen, vor allem bei Themen, wo sie fachlich und inhaltlich etwas beitragen können. Mit dem Ziel, die „Schwarmintelligenz“ der Bürger*innen zu nutzen, um Konzepte oder Pläne mit ihnen gemeinsam so zu verbessern, dass die Bürger*innen sagen können: das ist unser Konzept. Solche Beteiligung sollte nicht in einem geschlossenen Raum geschehen, sondern z. B. in Form von „Erlebnisspaziergängen“, wo die Menschen sehen, wie sich z. B. nach einer Wärmeplanung die Dinge in ihrem Quartier entwickeln könnten. D. h. den Ort erfahren und eine konkrete räumliche Vorstellung erhalten, wie z. B. eine Heizzentrale hier künftig aussehen könnte. Damit Zukunftsbilder im Kopf entstehen, was hier möglich wäre.
 


Welche Erfahrungen haben Sie mit Bürgerbeteiligung gemacht? Mit welchen Strategien oder Maßnahmen kann es aus Ihrer Sicht gut gelingen, Bürger*innen Ängste und Unsicherheiten zu nehmen, insbesondere hinsichtlich möglicher Veränderungen, die bei der Umsetzung der Wärmeplanung auf sie zukommen könnten? 

Wenn ich Veranstaltungen organisiere, plane ich immer Raum für Emotionales ein. Denn es gibt oft Bürger*innen, die mit aufgestauten Emotionen ankommen. Ihnen sollte man gleich am Anfang Gelegenheit zum Reden geben, damit anschließend eine konstruktive Gesprächsatmosphäre entstehen kann.

Bei einer Veranstaltung, in diesem Fall zur Klimaanpassung, haben wir für eine „Ideen & Kooperationsbörse“ einen neutralen Raum gesucht, der keine Assoziationen mit der Verwaltung wachruft. Wir haben uns dann für den Raum einer Kirchengemeinde entschieden. Damit haben wir in einem Universum außerhalb der Verwaltung gearbeitet und sogar einen „Crossover“ mit kirchlichen und ethischen Themen hinbekommen, was sehr inspirierend war.

Es hat sich auch bewährt, mit einer Gruppe von Bürger*innen in mehreren Terminen zu arbeiten. Und nach einer Initialveranstaltung auch einmal mit ihnen in die Quartiere zu gehen und dort mit den Menschen zu reden. Das weckt Interesse und wirkt wertschätzend: „Ah, die Menschen kommen direkt zu uns.“  Wenn man sich Zeit für die Menschen nimmt, gewinnt man sie auch und hat hinterher weniger Aufwand, um Missverständnisse gerade zu rücken und gegen fehlende Akzeptanz anzukämpfen. Das ist vor allem auch bei der Wärmeplanung wichtig.

Bei uns in Ostdeutschland haben viele Bürger*innen Mitte der 90er Jahre ihre Häuser saniert. Jetzt sind die Menschen teilweise im Ruhestand und wohnen ihre Immobilie mangels Perspektive häufig nur noch runter. Oder sie haben sich auf eine Heizung festgelegt, die jetzt nach etwa 25 Jahre am Ende ihrer Laufzeit ist. Jetzt kommt die Kommune mit der Wärmeplanung und sagt ihnen, dass sie voraussichtlich in den nächsten 5-8 Jahre die Möglichkeit haben, an ein Wärmenetz angeschlossen zu werden. Diejenigen aber, bei denen ein Heizungstausch ansteht, müssen jetzt handeln. Sie werden sich also trotzdem zeitnah eine neue Heizung oder Wärmepumpe anschaffen, was zur Folge hat, dass für mögliche Netze künftige Anschlussnehmer fehlen werden. 

Oder man ist später als Wärmenetzbetreiber eventuell gezwungen – falls ein Anschlusszwang beschlossen wird – diesen Immobilienbesitzern die restlichen Raten für ihre Heizung oder Wärmepumpe zu ersetzen, was die Wirtschaftlichkeit des Netzes erheblich beeinträchtigen wird. Bei der Wärmeplanung ist also vor allem die Langfristigkeit des Prozesses – von der Datenbeschaffung über den Start der Bauarbeiten für ein Netz bis hin zum Hausanschluss – die große Herausforderung. Und wie man hierbei Planungssicherheit bei Bürger*innen und lokalem Gewerbe schafft. 
 


Welche Rolle können Bürgerenergiegemeinschaften für Bürgerbeteiligung in der KWP spielen?

Eine Klimaschutzmanagerin bei uns in der Nähe aus Herzberg/Elster hat viel Herzblut in eine Bürgerenergiegemeinschaft investiert. Allerdings hat sie dafür einen langen Atem gebraucht, es jetzt aber nach rund 4 Jahre geschafft, das sich eine Genossenschaft gegründet hat. Ein möglicher Weg für die Wärmeplanung kann auch sein, dass man sich als Zivilgesellschaft organisiert und Projekte gemeinsam umsetzt.
 

Was würden Sie Klimaschutz-Manager*innen, die als planungsverantwortliche Stelle bei der KWP fungieren, abschließend empfehlen, um die Bürger*innen in den Prozess der Wärmeplanung einbinden?

  • Das Thema Wärmeplanung als Planungsverantwortliche/r nur zu übernehmen, wenn aus der Verwaltung Unterstützung zugesagt wird, z. B. durch das Bauamt oder den Bürgermeister. Sonst besteht das Risiko, dass man vom Thema so in Anspruch genommen wird, dass man seine sonstigen bzw. eigentlichen Klimaschutzaufgaben nicht mehr richtig wahrnehmen kann
  • Aufbauend auf den Erfahrungen aus der Klimaschutzarbeit, den Prozess der Wärmeplanung aktiv mitgestalten und attraktive Beteiligungsformate für die Bürger*innen entwickeln 
  • Die Ideen und Erfahrungen der Bürger*innen aus ihren jeweiligen Quartieren aufnehmen und in den Planungen berücksichtigen: Um Frust entgegenzuwirken und damit die Bürger*innen durch Mitgestaltung am großen Ganzen Selbstwirksamkeit erleben.


Aus meiner Erfahrung gelten bei Bürgerbeteiligung vereinfacht folgende Regeln:

  • Ein Drittel der Menschen sind erreichbar und zumeist affin fürs Thema.
  • Ein Drittel sind neutral, sie kann man durch Information und Motivation abholen und aktivieren.
  • Ein Drittel sind skeptisch, kritisch – um diese werde ich mich nicht aktiv kümmern. 


Wir tragen niemand zum Jagen. Sonst reiben wir uns für eine Personengruppe auf, die kein Interesse hat. Warum erwartet man, dass 100% der Menschen mitgenommen werden? Das ist nicht erforderlich. Wir arbeiten mit denen, die mitspielen wollen!

 

Wir danken Daniel Willeke für das Interview!
 

Kontakt
Daniel Willeke, 1. Vorsitzender Bundesverband Klimaschutz e.V.
Email: daniel.willeke@bundesverband-klimaschutz.de