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Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Erdgas in Großstädten – Wie kann die Transformation gelingen?

Eine Studie für die Stadt Kassel von U. Jordan, T. Vaupel, H., Braas, O. Kusyy, J. Orozaliev, I. Best, K. Vajen, Universität Kassel, Fachgebiet Solar- und Anlagentechnik

Etwa 2/3 der Wärmebereitstellung erfolgt durch Erdgasheizungen in Gebäuden, etwas mehr als 20 % durch ein Fernwärmenetz.

Die Kohle wird in Kassel voraussichtlich bis 2025 durch Klärschlamm substituiert. Aber auch in der Fernwärmeversorgung beträgt der Erdgasanteil derzeit noch knapp 18 %, siehe Abbildung 1.
 


Wärmeatlas

Auf Basis von Energieverbrauchsdaten wurde ein gebäudescharfer Wärmeatlas entwickelt, der die Grundlage für Szenarien zur Wärmebedarfsentwicklung bildet. Durch Verknüpfung der Daten mit Potentialen für regenerative Energien, anderer Wärmeerzeuger und Wärmenetze wurden mögliche Ausbaugebiete für Wärmenetze identifiziert.
 

Energieträger und Wärmebereitstellung

Die saisonale Verteilung der Energieträger für die zukünftige Wärmeversorgung ohne Kohle, Heizöl und Erdgas ist in einem Szenario in Abbildung 2 dargestellt. Das Szenario berücksichtig einen Fernwärmeanteil von 60 % an der Wärmeversorgung bei einem Wärmebedarfsrückgang von 17 % im Vergleich zu 2019.

Das veranschlagte Potenzial für Wärme aus Abfallverwertung beläuft sich auf ca. 27 % des Gesamtwärmeverbrauchs. Kurz- bis mittelfristig wird demnach die Müll-, Klärschlamm- und Altholzverbrennung, ergänzt durch einen kleinen Anteil Biogas zur Spitzenlastabdeckung, eine große Rolle spiele.

Der größte Wärmeanteil wird durch Wärmepumpen bereitgestellt. Als mögliche Wärmequellen für Großwärmepumpen werden insbesondere Flusswasser und Kläranlagen betrachtet. Darüber hinaus gehen auch Niedertemperatur-Abwärmequellen aus Industrie und Gewerbe und großflächige Solarthermieanlagen in die Berechnungen ein.

Gebiete, die nicht für eine netzgebundene Wärmeversorgung vorgesehen werden, sollen dezentral mit Wärmepumpen, Biomasse und Solarthermie versorgt werden. Der Biomasseanteil wird auf ca. 5 % des Kasseler Gesamtwärmebedarfs begrenzt.

Die Wärmeeinspeisung in das Wärmenetz und die Be- und Entladung eines Saisonalspeichers werden auf stündlicher Basis mit python-basierten Energiesystemmodellen berechnet.
 


Wärmenetze und Erdbecken-Warmwasserspeicher

Durch die Abfall- und Reststoffverbrennung entstehen schon heute hohe sommerliche Wärmeüberschüsse, die durch die Nutzung von Wärmepumpen und Solarthermie weiter erhöht werden. Um sie zu nutzen, muss das Fernwärmenetz verdichtet und ausgebaut werden. Zudem werden erhebliche Speicherkapazitäten benötigt. Mit den verwendeten Randbedingungen ergibt sich Speichervolumen von ca. 1 Mio. m³.

Derartige Speicher mit Volumina zwischen ca. 60.000 m³ und 200.000 m³ wurden zum Beispiel bereits in Dänemark errichtet. Ein weiterer Speicher mit einem Volumen von 700.000 m³ ist zurzeit in Odense, Fünen (DK), in Planung.  


Fazit

Das Ziel, das Wärmeversorgungssystem einer Großstadt ohne die Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas zu betreiben, erweist sich als äußerst ambitioniert, aber durchaus machbar. Die für Kassel vorgeschlagenen Maßnahmen sind auf viele andere Großstädte übertragbar. Fast alle Großstädte haben vorhandene Fernwärmenetze, Müllverbrennungsanlagen, große Kläranlagen und Flüsse. Zusammen mit einem saisonalen Wärmespeicher lässt sich so ein großer Teil der Wärmeversorgung dekarbonisieren.


Die Autor*innen bedanken sich für die Unterstützung von den Städtischen Werken Kassel und vom Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel, sowie für die finanzielle Förderung des Forschungsprojekts „Wärmewende Kassel“ vom Land Hessel, HMWEVW, durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
 

Website: www.solar.uni-kassel.de

Kontakt: Dr. Ulrike Jordan, Universität Kassel, Institut für Thermische Energietechnik